Schirin Fatemi
Farben in feinen chromatischen und kontrastierenden Abstufungen sind in meiner Malerei eine wichtige Bildsprache. Bei den Bildthemen beschäftigt mich besonders das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Bildmotive reduziere ich aber nicht auf ihren reinen Naturaspekt oder illustrierenden Realismus, sondern die konkreten Motive sind hier nur der Ausgangspunkt für die sich daraus entwickelnden Bildideen. Den Hintergrund bilden immer persönlich erlebte räumliche und situative Umgebungen oder Landschaften. Eine entscheidende Inspirationsquelle ist dabei die genaue Beobachtung, das unmittelbare Erleben vor Ort. Ausgehend von diesen Anregungen setze ich meine Eindrücke und Ideen anschließend im Atelier um, als Malerei auf Leinen oder als Radierung auf Kupferplatte. Bei der Arbeit am Motiv entstehen Veränderungen und ich füge Neues hinzu. Dabei versuche ich mit der Sprache der Gegenständlichkeit über die Begriffe hinaus zu gelangen und mehr durchscheinen zu lassen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Die Malerei entsteht aus dem Moment heraus und entwickelt sich über viele aufgetragene Farbschichten, bis es für mich stimmig wird. Meist beginne ich mit einem farblich vorgrundierten Malgrund, darauf entwerfe ich die Komposition in flüchtigen Kohlestrichen. Diese Vorzeichnung hinterlässt manchmal noch einige Spuren zwischen den sich darüber bildenden Farbformen. In meinen Großformaten nehme ich den Menschen figurativ mit ins Bild auf und untersuche so das Spannungsfeld zwischen der Figur und ihrem Umfeld.
Mein Kunststudium absolvierte ich in Rom, wo man von vielfältigen Landschaften und großartigen Werken der Kunstgeschichte umgeben ist. Heute lebe und arbeite ich in Mehrum, Hannover und Rom.
Asta Rode
Jede Bildwelt, die von einer Künstlerin oder einem Künstler geschaffen wird, ist ein eigener Kosmos, der Vertrautes mit Phantastischem verbindet. In den Arbeiten von Asta Rode begegnet man auf den ersten Blick Dingen, die bekannt sind, einem Wald, einem Haus oder Tier. Und doch wirken die dargestellten Objekte befremdlich. Dinge treffen aufeinander, die so nicht zusammengehören, die Größenverhältnisse entsprechen nicht den Sehgewohnheiten, die Farbigkeit nicht der Realität. Das alles ist gepaart mit einer detailreichen zeichnerischen Struktur, die den einzelnen Gegenständen Realismus verleiht.
Asta Rode nutzt die selten verwendete Technik der Ölzeichnung, um ihren Werken eine einzigartige Handschrift zu verleihen. Diese Technik wird seit dem 17. Jahrhundert künstlerisch genutzt und ist in der modernen Kunst hauptsächlich durch Werke von Paul Klee bekannt.
Die Arbeiten von Asta Rode wirken irritierend. Ein Boot schwimmt durch die Stämme eines Waldes in dem rosa Lampions schweben. Die Farben, die einzelnen Bildbereichen oder Gegenständen zugeordnet sind, verstärken den befremdlichen Charakter der Ölzeichnungen. Eine orangefarbene Lupine wird von einem rosafarbenen Vogel bestaunt, vor einem Raubvogel stehen violette Pilze. Alles ist genau und bis ins Detail erkennbar und doch ist alles fremd und rätselhaft.
Wir sehen die Dinge, ohne sie zu begreifen. Neben figurativen und landschaftlichen Elementen tauchen in den neueren Kohle – Karbon Zeichnungen plastische Elemente wie Kugeln und ovale Formen auf. Sie irritieren, weil die auf ihrer Oberfläche zu sehenden Strukturen abstrakt zu sein scheinen. Betrachtet man sie genauer, wird erkennbar, dass die Kugelformen wie gewölbte Spiegel eingesetzt werden, die ihre unmittelbare Umgebung in verzerrter Form wiedergeben. Das Bildmotiv, meist eine Landschaft, unterliegt einer Verfremdung, die unser Auge nicht direkt in die ursprüngliche Form zurückzuführen weiß. Dies erzeugt eine Spannung bei der Betrachtung der Arbeiten von Asta Rode. Die Form der verzerrten Doppelung eines Bildthemas in einem gewölbten Spiegel gab es bereits in der Renaissance. Während die Künstler damals auf diese Weise ihr malerisches Können unter Beweis stellen wollten, lotet Asta Rode das Verhältnis von Volumen und Linie aus und hinterfragt den Realitätsbegriff im zweidimensionalen Bildraum.
Die Bilder von Asta Rode zeigen, dass jede Begegnung nur eine Annäherung auf Zeit ist.
Julienne Franke
Peter Groß
Angelehnt an einen Text von Dr. Rainer Grimm im Zusammenhang mit der Ausstellung „Einschnitt-Schmerz-Veränderung“ in der städtischen Galerie Kubus Hannover.
Beim Anschauen seiner Arbeiten wird deutlich, dass Verändern, etwas Neues beginnen, eine Konstante bei ihm ist. Er setzt sich immer wieder mit neuen Themen und künstlerischen Fragestellungen auseinander. Lange beschäftigte er sich mit den frühen Formen der Kunst, mit den Spuren der Erinnerung. In den letzten Jahren haben sich die Schwerpunkte seiner gestalterischen Arbeit verändert, im Mittelpunkt stehen für ihn jetzt ökologische Fragen. Dabei geht er häufig von Naturformen aus, die er abstrahiert und verfremdet. Mit seinen Arbeiten will er Fragen stellen, Denkanstöße geben. In diesem Kontext stand auch die Ausstellung in der Galerie Kubus, in der Peter Groß Wandobjekte, Collagen und Fotos präsentierte. Schaut man die Wandobjekte genauer an, dann fällt auf, dass um die schwarzen Formen herum ein intensiver grüner Schimmer entsteht. Dies fast unwirkliche Grün ist durch die auf der Rückseite aufgebrachte Leuchtfarbe zu erklären. Peter Groß versteht die Farbgebung symbolisch. Schwarz ist die Farbe des Abschieds und der Trauer. Das unkörperlich erscheinende Grün soll die Verbindung zwischen uns Menschen und der uns umgebenden Natur aufzeigen. Es steht für eine – wenn auch gefährdete – Hoffnung.
Als Scherenschnitt steht eine Baumgruppe auf der Fläche, Äste und Stämme verzweigen sich. Über der Gruppe ist etwas wie ein transparenter Verband geklebt. Die Bäume scheinen verletzt zu sein. Am unteren Rand ist eine Biene auf Transparentpapier gemalt. Die scheinbar tote Biene die verletzten Bäume zeigen die Bedrohtheit der Natur. Durch die Reduktion gelingt es Peter Groß seine Aussage zu präzisieren, Gefährdung der Natur wird ohne Umschweife gezeigt.
Brigitte Tast
In der badischen Rheinebene geboren, auf Wunsch des Vaters Sparkassenlehre im Heimatdorf. Im Anschluss als Au-pair ins Ausland (Schweiz, England). 1968-69 Krankenpflegeschülerin an der Universitätsklinik Freiburg/Brsg. Heirat und Umzug nach Hildesheim/Nds.
Dort dank eines Stipendiums ab 1971 Grafik-Design-Studium zusammen mit ihrem Mann. Hinwendung zur Fotografie unterstützt durch den Fachdozenten Umbo (1902-1980). Parallel Entdeckung des „Neuen Deutschen Films“ und des sogenannten „Frauenfilms“. Zahlreiche Festival-Besuche. Ab 1975 Zweitstudium in der Filmklasse der HBK Braunschweig, 1980 Meisterschülerin bei Prof. Gerhard Büttenbender. Zusammen mit Hans-Jürgen Tast 1972 Gründung eines alternativen Filmclubs sowie im Herbst 1977 der Publikation-Reihe „Kulleraugen“.
2012-13 Lehrauftrag für künstlerische Fotografie an der Stiftungsuniversität Hildesheim.
Seit den 1970er Jahren themenbezogene, häufig narrative Kunstprojekte und Foto-Text-Kombinationen, teilweise als Dia Geschichten. Ausstellungen und Aufführungen in Galerien, Museen, art- Kinos sowie bei Film- und Foto-Festivals im In- und Ausland. Fünf Fotobände, etwa „Modell Gehen" (1994), „Astarte und Venus" (1996), „Die Hüterin des Weiß" (2011) sowie „Rot in Schwarz-Weiß" (2020), entstanden - z.T. als interdisziplinäre Dialoge mit anderen Künstler_innen - zeitlich parallel dazu.
Somit ist Brigitte Tast wiederholt in den Zwischenbereichen von Film und Fotografie aktiv, setzt sich innerhalb ihrer künstlerischen Praxis immer wieder auch mit Kinowerken auseinander. Dabei entstanden beispielsweise subjektive Schwarzweiß-Serien zu dem ultimativen Fotografen-Spielfilm „Blow-Up" (2014) von Michelangelo Antonioni, zu der in Marokko gedrehten Shakespeare-Verfilmung „Othello" (2013) von Orson Welles sowie zu „Fährmann Maria" von Frank Wysbar (2018).
Die Schwarzweiß-Fotografie in der Artothek, ein Handabzug aus der eigenen, analogen Dunkelkammer, Exponat in der Ausstellung „Blickwinkel" (Frühjahr 2017), stammt aus der Serie „Tage wie die endlos schwarze See, ein Hafen stets so schwer zu finden" (2015) über die Schauspielerin Sybille Schmitz (1909-1955). Eine rätselhafte, androgyne Schönheit im Kino der 1930-50er Jahre. Ungewöhnliche Filmrollen, Erfolge auf der Leinwand, ruinierte Beziehungen, Schwermütigkeit und Süchte. Sie war es, an deren letzte Lebensmonate der Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder mit „Die Sehnsucht der Veronika Voss" (1982) erinnern wollte.
In der Fotoserie wirkte die Theaterschauspielerin Maria Schubert als Darstellerin mit.
Ursula Krämer
„Dinge ausdrücken, die nicht gesehen werden wie man sie kennt, sondern wie sie sind, wenn man sie sieht, ohne sich zu erinnern, dass man sie schon einmal betrachtet hat.“
Dieser Satz von Gertrude Stein könnte eine erste Annäherung sein an die Arbeiten von Ursula Krämer. Eine erste Annäherung, denn die Sprache Krämers ist die Malerei und so können Worte ihre Werke stets nur umkreisen.
Gegen die Überfülle der Welt und die permanente visuelle Überfrachtung setzt Ursula Krämer Konzentration und Separation. Sie wählt einen Gegenstand, eine Form, ein Detail und nähert sich diesem an. Befreit vom hektischen Umraum geht es im malerischen Denk und Arbeitsprozess auf eine Entdeckungsreise. Durch das eigentliche Verengen des Blickes, durch das ganz-nah-Herantreten entsteht in ihren großformatigen Malereien eine Weite, eine Ruhe. Ein neuer Zustand, ein neues Sehen: Landschaftlichkeit, wie Ursula Krämer es nennt. Der besondere fokussierende Blick der Künstlerin lässt in ihren Arbeiten aus scheinbar vertrauten Dingen, die uns selbstverständlich umgeben, neue, fremdartige Wesen entstehen. Es sind Wesen, mit denen man in einen Dialog tritt, aber auch Wesen, die aus ihrer geheimnisvollen Welt auf uns zurückschauen, deren Blicken und deren Fragen man sich aussetzt. Diese Wesen drängen sich auf und entziehen sich gleichermaßen. Sie behaupten, Bekannte zu sein, lassen Verwandtschaften erahnen, wecken im Betrachter den Wunsch, sie zu verorten, und sind doch nicht greifbar.
Was ich nicht verstehe, kann ich nicht vergessen (Marie Curie)
Ursula Krämers Wesen haken sich fest.“
Mareike Pöhling